Neues Fahrschulrecht: Reform oder Reförmchen

31.10.2017 13:21 | Allgemein

Das neue Fahrlehrerecht- Reform oder Reförmchen?

Ein Gastbeitrag von Andreas Grünewald, Vorsitzender des Landesverbandes Sächsischer Fahrlehrer

Sicher ist die Reform des Fahrlehrerrechtes schon recht umfangreich und hat wohl zum Hauptziel einerseits Verbesserungen für derzeit tätige Fahrlehrer bei der Fahrausbildung zu erreichen, andererseits aber auch die Ausbildung von Fahrlehreranwärtern an modernere Gegebenheiten und Erfordernisse anzupassen. Und sicher ist die gesellschaftspolitische Diskussion sowie die begleitenden Verhandlungen von Politik, Verwaltung und nicht zuletzt dem organisierten Berufsstand dafür verantwortlich, die jeweils wichtig erscheinenden Veränderungen herbeizuführen.

Andreas Grünewald (Foto: privat)

Wenn ich als Vorsitzender des Landesverbandes sächsischer Fahrlehrer auch als Mitglied des Bundesvorstandes der BVF spreche, haben wir wohl entscheidende Dinge auf den Weg bringen können, mussten aber auch in manchen Bereichen erkennen, dass gewisse politische Strömungen andere Intentionen hatten. Dies hat in der Folge dazu geführt, dass nicht alle unsere Wünsche bei der Reformierung berücksichtigt wurden. Vielleicht gibt es hier auch Parallelen zur aktuellen politischen Situation in unserem Land, um an dieser Stelle die Koalitionsbemühungen bei der Zusammenstellung einer arbeitsfähigen Bundesregierung anführen zu dürfen.

Bleiben wir bei den Veränderungen des für uns wichtigen Gesetzes und beginnen am besten mit den Neuerungen für Fahrlehreranwärterinnen und Anwärter. So wurde das Mindestalter zum Erwerb der Anwärterbefugnis auf 21 Jahre abgesenkt, wobei die tatsächliche Ausbildung frühestens mit 20,4 Jahren beginnen kann und lediglich eine abgeschlossene Hauptschulbildung als Zugangsvoraussetzung erklärt wurde. Die Herabsetzung des Mindestalters ist wohl ein probates, legitimes Mittel um einen Zuwachs für den Fahrlehrerberuf zu erwirken, im Gegensatz zum nur geforderten Hauptschulabschluss. Diese Verringerung der Zugangsvoraussetzungen wird wohl jeder tätige Pädagoge kritisch sehen und dieser Umstand wird bestimmt nicht zu einer intellektuellen Bereicherung unseres Berufsstandes beitragen.

Neu ist ein vierwöchiges Vorpraktikum, noch bevor die Ausbildung begonnen hat. Leider hat man das Berichtsheft abgeschafft bzw. deren Führung freiwillig gestaltet. Dies bedauern wir vor allem eingedenk der Tätigkeit der Fahrlehrerprüfungsausschüsse oder aller tätigen Ausbildungsfahrlehrer. Prinzipiell verlängert sich die Ausbildungszeit für Fahrlehreranwärter um 30% und es sollen vor allem pädagogische Inhalte mehr thematisiert werden, was ja den eigentlichen Sinn der Reform darstellt. Aber auch neue technische Innovationen wie Fahrerassistenzsysteme oder Elektromobilität sollen mehr Berücksichtigung finden. Dieser Umstand ist im Zeitalter einer zunehmenden Digitalisierung wohl wichtig.

Als Trauerspiel betrachten wir den Wegfall der bisher erforderlichen Fahrerlaubnisklassen A2 und CE. Dadurch wird meines Erachtens ein wichtiger Kenntnisbereich bezüglich der zu vermittelnden Inhalte in Theorie und Praxis entfallen, wenn es darum geht, den Fahrschülern die Besonderheiten von Zweiradfahrzeugen und Nutzfahrzeugen näherzubringen.

Natürlich gibt es auch viele Neuerungen, die für tätige Fahrlehrer wichtig sind, so sollten nicht nur neue FES-Kursleiter auf ihren Punktestand im FER achten, sondern mit einer Übergangsfrist bis Ende 2023 alle Fahrlehrer nicht mehr als 2 Punkte eingetragen haben. Die Zeit für eine Einweisung zum Ausbildungsfahrlehrer verlängert sich auf 5 Tage und weiterführend wird es für diese Kollegen einen Pflichtfortbildungstag alle 4 Jahre geben, wobei es eine Bonusregelung für die anderen Fortbildungsverpflichtungen nach § 33/1 und § 33/2 geben wird.

Dem Antrag des organisierten Berufsstandes wurde stattgegeben, indem die Tätigkeit als Ausbildungsfahrlehrer in einem sozialpflichtigen Arbeitsrechtsverhältnis auf die Wartefrist von 3 Jahren zur Eröffnung einer eigenen Fahrschule angerechnet wird. Ein erklärtes Ziel der Reform war die sogenannte Entbürokratisierung. Hier hat sich die Form des Nachweises der vorgeschriebenen Mindestausbildung (Ausbildungsnachweis und Ausbildungsbescheinigung) geändert und der Nachweis der täglichen Tätigkeit (Tagesnachweis) ist nicht mehr verpflichtend. Beim letzteren Formular glaube ich, dass die Fahrlehrer diesen weiter führen werden – egal ob im Angestelltenverhältnis (Nachweis der Tagesarbeitszeit weiterhin gefordert) oder Selbstständige. Denn alle zivilrechtlichen Ansprüche bei Beanstandungen der erbrachten Leistungen durch eine Fahrschule finden hier weiterhin eine passende Dokumentation und Nachweisbarkeit. Bei Verwendung der neuen Formulare "Ausbildungsbescheinigung" und "Ausbildungsnachweis" wird und muss es eine gewisse Übergangsfrist im Jahr 2018 geben, denn es kann nicht erwartet werden, dass eine Unmenge "alter" Bescheinigungen entsorgt werden, nur um der derzeit noch nicht terminierten Einführung der neuen Formulare Genüge zu tun. Hier müssen wir noch mit den Technischen Prüfstellen verhandeln.

Die Frage einer elektronischen Übersendung nebst Unterschrift an die Technische Prüfstelle ist noch nicht geklärt. Auch der Preisaushang bleibt, inhaltlich überarbeitet, gefordert. Alle tätigen Fahrlehrer müssen neuerdings eine Tauglichkeit, vergleichbar mit den gesundheitlichen Anforderungen der Klasse C1 und der nötigen Tagessehschärfe der Klasse C, erfüllen. Hier soll es aber langfristige Übergangsbestimmungen von 5 Jahren und großzügige Ausnahmeregelungen geben. Denn dadurch würde zum Beispiel eine Diabeteserkrankung eines Klasse B Fahrlehrers einem Berufsverbot entsprechen, wenn die oben beschriebenen gesundheitlichen Voraussetzungen ggf. nicht (mehr) erfüllt werden würden.

Auch die Veränderung der möglichen Kooperationen bzw. der Realisierung einer Gemeinschaftsfahrschule war ein zentrales Anliegen der reformierten gesetzlichen Regelungen. So entfallen die identischen Fahrlehrerlaubnisklassen für die an der Fahrschulgemeinschaft Teilnehmenden und die Zweigstellenregelung verändert sich auf 10 mögliche statt bisher 3. Unberührt bleibt hierbei, dass der Betreiber einer oder mehrerer Zweigstellen den Nachweis erbringen muss, dass er den Umständen nach, vor allem bei mehreren Zweigstellen und deren möglicherweise großen Entfernungen zueinander einer verantwortlichen Leitung und den Pflichten eines Inhabers einer Fahrschulerlaubnis nachkommt.

Letztlich bleibt zu erklären, dass zum heutigen Tag noch nicht alle Einzelheiten – vor allem die Durchführungsverordnung zum neuen Fahrlehrergesetz – abschließend geklärt sind. So ist zum Beispiel die Ausgestaltung eines sogenannten "freiberuflichen Mitarbeiters" in einer Fahrschule noch unklar. Egal wie diese Definition im Fahrlehrergesetz lauten wird, alle verantwortlichen Leiter, Geschäftsführer oder Betriebsleiter in den verschiedensten Branchen sollten nicht vergessen, dass in der Vergangenheit sogenannte selbstständig Tätige in Wirklichkeit die für eine solche Deklaration notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllten. Nach Prüfung der BFA wurden teilweise hohe Nachforderungen von Sozialabgaben eingefordert. Bleibt zu hoffen, dass es hier noch eine Präzisierung geben wird und nur Inhaber einer Fahrschulerlaubnis oder Fahrlehrer mit einem sozialversicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis tätig werden dürfen.

Letztlich möchte ich die oft angeführte Problematik der geforderten Stärkung des Fahrschulwesens im ländlichen Bereich beleuchten. Hier ist es wohl ein allgemein feststellbarer Umstand, dass in den ländlichen Gebieten unserer Republik immer mehr Fachkräfte in allen Berufszweigen fehlen. Diese Tendenz betrifft selbstverständlich auch die Geschäftstätigkeit von oft alteingesessenen Fahrschulbetrieben in Dörfern und kleinen Gemeinden. Aber der Umzug von Fahrschulunternehmen in die großen Ballungszentren ist zuweilen dem Umstand geschuldet, dass unter Umständen Theorieprüflokale der Technischen Prüfstellen zur Disposition stehen und dass Führerscheinstellen oder ähnliche Behörden im ländlichen Raum teilweise schließen. So müssen die Bewerber oft Ganztagesreisen unternehmen, um ihren Antrag zum Erwerb einer Fahrerlaubnis abgeben zu können. Dies im Zeitalter einer immer jüngeren Zielgruppe, wie dem Erfolgsmodell AM 15 und der in 2018 erwarteten Übernahme ins Bundesrecht, ist hier ebenfalls als beeinträchtigender Faktor zu benennen.

Andreas Grünewald

Vorsitzender des Landesverbandes Sächsischer Fahrlehrer e.V.

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