Wie Assistenzsysteme helfen sollen
11.03.2018 11:43 | Allgemein
So unterschiedlich Verkehrsunfälle auch sind: Ihr Ablauf folgt in der Regel demselben Schema. ACEA, der europäische Dachverband der Automobilindustrie (Association des Constructeurs Europèens d'Automobiles) hat einen schematischen Unfallablauf entwickelt, der den Hergang in fünf verschiedene Phasen einteilt. Mithilfe dieses Modells will er veranschaulichen, wann und wie Fahrerassistenzsysteme (FAS) bei der Vermeidung oder Abschwächung von Unfällen eventuell helfen könnten.
Phase 1: Jedem Unfall geht die Normalität vorausEs gibt während dieser Phase noch keinerlei Anzeichen für einen bevorstehenden Unfall, auch wenn Faktoren wie die Dauer der bisherigen Fahrt bereits auf die Aufmerksamkeit des Fahrers einwirken können. Dass die Normalfahrt von den Experten der ACEA bereits in den Unfallhergang mit aufgenommen wird, verdeutlicht noch einmal, dass ein Unfall sich tatsächlich jederzeit ereignen kann. Ein Autofahrer muss daher immer voll konzentriert sein, denn die jedem Unfall vorausgehende kritische Situation bricht oft unvorhergesehen ein. Es kann sich dabei um die Vollbremsung eines vorausfahrenden Pkws handeln, um das unerwartete Auftauchen eines Fußgängers, eisige Stellen auf der Fahrbahn oder auch einfach das Umspringen der Ampel von Grün auf Gelb.
Phase 2: Drohende Gefahr entschärfenDie Phase der Gefahr dauert meist nur Sekundenbruchteile - aber jetzt entscheidet sich der weitere Verlauf der Situation: Erkennt der Fahrer die drohende Gefahr? Hat er überhaupt die Zeit, entsprechend zu reagieren um sie zu entschärfen? Nicht immer kann ein Unfall noch vermieden werden. Die Phase der Gefahr ist keineswegs ein Ausnahmefall, vielmehr erlebt der Autofahrer bei nahezu jeder Autofahrt eine Situation, in der sein aktives Handeln erforderlich ist, um einen Unfall zu vermeiden oder eine gefährliche Situation zu entschärfen. Dies gehört zum Fahralltag dazu und normalerweise gelingt es uns, entsprechend zu reagieren, ohne dass wir dies immer als etwas Besonderes empfinden.
Phase 3: Die „unvermeidbare“ KollisionDie Phase der Gefahr endet mit dem ‚Zeitpunkt der Unvermeidbarkeit‘: Bis hierhin muss der Autofahrer (oder auch der andere Beteiligte, etwa der Fußgänger, der die Straße betritt) reagiert haben, um die Gefahrensituation aufzulösen. Gelingt ihm das nicht, etwa weil er abgelenkt ist und die Gefahr nicht erkennt oder weil es schlicht nicht mehr möglich ist, überhaupt noch zu reagieren, ist ein Unfall die zwingende Folge. Der eigentliche Unfall beginnt mit der kurzen Phase ‚Kollision unvermeidbar‘ (Phase 3), dem Zeitraum unmittelbar vor dem Zusammenstoß, und endet mit der …
Phase 4: Kollision zweier UnfallbeteiligterDer Abschnitt ‚während der Kollision‘: Die kollidierenden Fahrzeuge oder sonstige Verkehrsteilnehmer haben sich ‚getroffen‘ und kommen je nach Geschwindigkeit früher oder später zum Ende der Kollision. Nach diesem Stillstand tritt die letzte Unfallphase ein.
Phase 5: Nach der KollisionWährend dieser Phase werden (hoffentlich unverzüglich) die nötigen Rettungs- und Sicherheitsmaßnahmen ergriffen.
Fahrerassistenzsysteme greifen vor allem in der Phase der Gefahr ein (Phase 2), wenn es darum geht, einen Unfall zu verhindern, wirken aber vorbeugend bereits in Phase 1 und schadenmindernd noch danach in Phase 3. So sorgen FAS schon während der Normalfahrt dafür, dass erst gar keine kritische Situation entsteht - etwa dadurch, dass der Abstandsregler genügend Sicherheitsabstand zum vorfahrenden Fahrzeug gewährleistet, der Licht- oder Nachtsichtassistent selbstständig das Licht einschaltet, wenn sich die Sicht verschlechtert, und auf Gefahren hinweist, der Müdigkeitswarner den Fahrer darauf hinweist, dass er eine Ruhepause einlegen sollte, oder der Verkehrszeichenassistent ihn auf übersehene Geschwindigkeitsbegrenzungen aufmerksam macht.
Am wertvollsten ist ihre Hilfe aber im Fall einer drohenden Gefahr, also in Phase 2: Der Notbremsassistent warnt den Fahrer, wenn sich der Abstand zum Vordermann plötzlich verringert, Bei Bedarf verstärkt er den Bremsdruck. Bremst der Fahrer nicht, greift der Assistent selbstständig ein und bremst den Wagen ab. Spurwechsel- und Spurhalteassistenten verringern das Risiko eines seitlichen Zusammenstoßes, der droht, wenn die eigene Spur unbeabsichtigt verlassen (etwa durch den gefährlichen Sekundenschlaf bei langen Fahrten und Übermüdung) oder ein Fahrzeug im toten Winkel übersehen wird. Darüber hinaus wirken schon in Phase 1 tätige FAS (Abstandsregler, Lichtassistent, Müdigkeitswarner, Nachtsichtassistent) auch in Phase 2 positiv auf das Geschehen ein./p>
Von der Illusion, dass Fahrerassistenzsysteme alle Unfälle vermeiden können, sollte man sich aber freimachen. Schwere Fahrfehler oder den berüchtigten Zufall können sie nicht verhindern. Aber selbst wenn eine Kollision unvermeidlich ist, können sie die Insassen oder die anderen Verkehrsteilnehmer noch vor schweren Folgen schützen. Auch wenn ein Notbremsassistent nicht immer den Aufprall vermeiden kann, so mindert er zumindest die Kollisionsgeschwindigkeit und damit auch die Wucht des Zusammenstoßes. Ein Insassenschutz, der mit manchem Notbremsassistenten gekoppelt ist, bereitet die Passagiere durch Festziehen des Gurtes und Aufrechtstellung der Sitze optimal auf die unvermeidbare Kollision vor. Sogenannte ‚intelligente‘ Systeme, die nach einer Kollision automatisch einen Notruf auslösen, können Leben retten, wenn es um Sekunden geht.
Quelle: dpp-AutoReporter/wpr